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Störungsanalyse des Sitnikov Problems für hohe
Ordnungen unter Verwendung automatisierter Herleitungsmethoden in Mathematica
Christoph Lhotka
01.03.2003 - 23.11.2004
Abstract
Kurzzusammenfassung
Das Sitnikov System stellt einen der einfachsten Fälle des elliptischen eingeschränkten
3-Körperproblems dar. Zwei gleich schwere Punktmassen bewegen sich, aufgrund des Newtonschen
Gravitationsgesetzes, auf zwei Keplerellipsen, deren gemeinsamer Fokus mit dem Schwerpunkt des
Systems zusammenfällt. Ein dritter, massenloser Körper bewegt sich entlang der z-Achse normal zu der
Ebene der Primärkörper und durchstößt diese im Massenmittelpunkt des Systems. Die Exzentrizität der
Bahnellipsen kann alle Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Die Bewegung des dritten Körpers (m) ist
eindimensional. Er erfährt nur eine Kraft entlang der Bewegungslinie, da die lateralen Kräfte, die
von den Primärkörpern her rühren, sich exakt an der Stelle des Probekörpers aufheben.
Für den Fall verschwindender Exzentrizität der Bahnellipsen (kreisförmige Bewegung der Primärkörper)
hängt die Kraft, die auf den dritten Körper wirkt, nur von der Position z ab. Der Fall ist daher
integrabel und eine geschlossene Form der Lösung existiert in Form von elliptischen Jacobischen
Funktionen und elliptischen Integralen. Jener Fall wurde ausführlich von MacMillan (1913) untersucht
und wurde daher nach ihm benannt: Das MacMillan - Problem. Für e > 0 hängt die Kraft jedoch
nichtlinear von der Position z und zusätzlich von der Zeit t ab. In diesem Fall wird die
Hamiltonfunktion, die das System beschreibt, zeitabhängig und stellt daher nicht mehr ein Integral
der Bewegung dar. Wie Moser (1973) gezeigt hat, ist das System für diesen Fall nicht mehr integrabel
und chaotische Orbits existieren für ein bestimmtes Intervall von Anfangsbedingungen für den dritten
Körper. Eine neue Formulierung des Problems wurde von Wodnar (1990) gefunden, wo er eine geschlossene
Form der Bewegungsgleichung herleitet, indem er die unabhängige Variable des Systems, die Zeit t
durch die wahre Anomalie der Primärkörper ersetzt, wodurch die Differentialgleichung in eine
geschlossene Form gebracht werden kann. Die erste Herleitung einer analytischen Approximation
bezüglich der Lösung des Problems wurde im gleichen Jahr von Jie Liu und Yi-Sui Sun (1990)
eingeführt, indem sie die periodische Differentialgleichung durch ein autonomes Mapping ersetzt haben
und somit eine Surface of Section für das System für kleine Systemparameter aufstellen konnten.
Später leitete Hagel (1992) zum ersten Mal eine explizite Näherungslösung für die
Differentialgleichung her, indem er die Hamiltonformulierung in den Action & Angle - Variablen J und
f benützte: Für diese zeitabhängige Hamiltonfunktion wurden anhand einer neuen Methode der
Störungsrechnung zwei Quasi-Integrale gefunden, die das System für moderate Systemgrößen beschreibt.
Etwa 10 Jahre darauf entwickelte Faruque (2003), basierend auf den Ergebnissen von Hagel, eine
weitere Störungslösung niederer Ordnung, die eine brauchbare Approximation einer analytischen Lösung
des Sitnikovproblems für kleine Exzentrizitäten und Anfangsamplituden des dritten Körpers darstellt.
In dieser Arbeit wird ein durchgehend systematischer Weg geschaffen, mit dessen Hilfe die Resultate
der Methode von Poincaré-Lindstedt (zusammen mit den Ausdrücken für die nichtlinearen
Frequenzverschiebungen) zu beliebiger Ordnung in den Systemparametern entwickelt werden können. Dies
wurde möglich aufgrund der extensiven Nutzung des Computer Algebra Systems (CAS) Mathematica
(Wolfram, 2004), welches durchgehend für alle Herleitungen und Zwischenschritte in dieser Arbeit
verwendet wurde. Um die vielen Terme und Ausdrücke verarbeiten zu können, die von den Entwicklungen
her rühren, war es notwendig, automatisierte und hoch modulare Algorithmen zu implementieren, um das
daraus entstehende Komplexitätsproblem bewältigen zu können. Das Ergebnis ist ein vollständiges
Herleitungssystem (Sitnikov Derivation System), welches dieser Arbeit beigefügt und im Kapitel 5
detailliert beschrieben wird. Durch die Verwendung von CAS ist es notwendig, die Ergebnisse immer
wieder auf ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen; Leserlichkeit, Reproduktionsfähigkeit und Schnelligkeit
waren daher wesentliche Kriterien für die Entwicklung der durchwegs in Mathematica implementierten
Funktionen. Unter Verwendung dieser automatisierten Algorithmen wurde es möglich, analytische
Ausdrücke für den linearisierten Fall bis zur 17. Ordnung und bis zur 7. Ordnung für den
nichtlinearen Fall der Bewegungsgleichung zu entwickeln. Die dadurch erreichte Genauigkeit der
Lösung z(t), die sowohl von der Anfangsposition als auch von der Anfangsgeschwindigkeit sowie der
Exzentrizität e der Bahnellipsen der Primärkörper abhängt, ist die bis dato am höchsten erreichte
für das oben dargestellte System.
Download
Diplomarbeit.zip (4 MB)
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